In der Community von Kleinunternehmen sind Familienbetriebe ein wichtiger Part. Für sie spielt vor allem ihre Herkunft eine wichtige Rolle. Denn dadurch entsteht erst die Unternehmensgeschichte. Es ist ja auch sehr inspirierend, Unternehmen zu sehen, die sich von Generation zu Generation weiterentwickeln.
Wir haben uns mit drei Unternehmerinnen aus der Wein- und Spirituosenbranche unterhalten, die die Herkunft ihrer Betriebe geschickt nutzen, um mitreißende Markengeschichten zu erzählen und sich von der Masse abzuheben. Freuen Sie sich nun auf Ideen fürs eigene Familienbusiness oder finden Sie Inspiration, wenn Sie gerade erst Ihr Unternehmen aufbauen.
Die drei Unternehmen


Ruby Honerkamp, Talkhouse Encore
Ruby ist die Mitgründerin von Talkhouse Encore, einer Marke, die Cocktails in Dosen anbietet. Die Inspiration dazu: Die von ihrer Familie seit Generationen betriebene Bar auf der Atlantikinsel Long Island (New York State).
Jacine Rutasikwa, Matugga Rum
Jacine hat zusammen mit ihrem Ehemann Paul Matugga Rum gegründet. Die Idee und das Ziel: unkonventioneller „cane to cask“-Craft-Rum, bei dem die Herkunftsländer der Gründer Schottland, Jamaika und Uganda aufeinander treffen.
Anja Schäfer, Weingut W. J. Schäfer
Anja ist erst vor Kurzem dem Familienunternehmen beigetreten: einem preisgekrönten Weingut am Rande von Frankfurt am Main. Sie macht sich allmählich mit dem Betrieb vertraut, hat aber schon große Zukunftspläne.
Wurzeln schlagen
In vielen Fällen gründen Menschen Unternehmen, um die Geschichte ihrer Herkunft weiterzutragen, die kulturelle wie die familiäre. Vielleicht gibt es im neuen Wohnort kein Lokal mit traditionell persischer Küche, die jemand aus seiner Kindheit noch kennt. Oder keine der erhältlichen scharfen Soßen kann mit der von der geliebten Großtante mithalten.
Für Jacine Rutasikwa war Rum Teil ihrer Herkunft. Sie erzählt, dass Rum immer ein Symbol der guten Zeiten war, auf Partys und Familientreffen durfte er nie fehlen. „Wir möchten eine Marke aufbauen, die Spaß mit Familie und Freunden, den Genuss von Rum und die Freude am Leben zelebriert“, so Jacine. „Das hat viel mit unserem kulturellen Erbe zu tun, denn das ist sehr typisch für unsere Großfamilie. Sowohl Pauls als auch meine Familien sind sehr groß, oft finden Feiern und Feste statt. In unserem Unternehmen und in unserer Kultur nehmen familiäre Werte eine zentrale Rolle ein. Dieses Gefühl von Zusammensein, von Zugehörigkeit soll auch unsere Marke ausstrahlen.“
Bevor ihr Großvater väterlicherseits nach Großbritannien auswanderte, besaß er eine Rum-Bar im jamaikanischen Kingston. Der Großvater mütterlicherseits war Zimmermann. „Eine Zeit lang fertigte er Fässer für eine Rumbrennerei an und er arbeitete auch auf einer Zuckerrohrplantage. Schon komisch, wie das Leben so spielt. Zu erwähnen ist aber sicherlich auch, dass die Geschichte des Rums mit der Geschichte der Sklaverei im Zusammenhang steht. Es waren nämlich Sklaven, die die Brennereien in der Karibik großgemacht haben. Rum ist also wirklich ein Teil meiner Geschichte.“
Anja Schäfer ist mit 25 Jahren in den Familienbetrieb eingestiegen. Heute schon arbeitet sie aus, wie es weitergehen soll, wenn sie eines Tages die Zügel in die Hand nimmt. „Es war nicht immer meine Absicht, das Unternehmen zu führen. All das hat sich langsam entwickelt und für mich bedeutet das viel Verantwortung. Zurzeit befinden wir uns in der Übergangsphase, für die Vorbereitung ist also noch genug Zeit.“
Ruby Honerkamp arbeitet seit Beginn der Coronavirus-Pandemie im The Stephen Talkhouse, der Bar ihrer Familie. „Als wir wegen der Pandemie vorübergehend schließen mussten, nutzten wir die Zeit, um nach Möglichkeiten zu suchen, unser Erbe und unsere Geschichte in die Welt jenseits der Bar zu bringen. Vor allem da die Bar geschlossen war.“ Ruby sagt gern, dass sie in der 1970 eröffneten Bar aufgewachsen sei. Und in 2020 fühlte sie sich bereit, sich dem Familienunternehmen anzuschließen.

Den Generationenwandel meistern
Es spricht viel dafür, in einen Familienbetrieb einzusteigen, doch es gibt auch Nachteile. Einerseits ist die Arbeit viel persönlicher, andererseits müssen die Gefühle und Erfahrungen der älteren Generationen berücksichtigt werden. Ein ganz klarer Vorteil ist die Unterstützung, die die Familie bietet.
Ruby war über viele Jahre hinweg in der Branding- und Marketingbranche in New York tätig, bevor sie sich fürs Familiengeschäft entschied. „The Talkhouse ist ganz klar das Baby meines Vaters. Ich hatte mich nie eingebracht, denn es hatte nichts von mir, ich konnte, wie mir schien, keinen Mehrwert schaffen. Dass ich jetzt meine Stärken einbringen kann, dass ich etwas nehmen kann, was Teil von mir ist und so etwas Neues gestalten kann, das war für meine Eltern sehr aufregend und es macht sie sehr stolz.“
„Meine Eltern unterstützen mich bei allem, was ich tue“, fügt Ruby hinzu. „Sie waren absolut meine Mentoren und meine Helfer, die sichergestellt haben, dass alles authentisch blieb. Sie achten darauf, dass ich nicht zu viel auf einmal angehe und folglich den Überblick verliere und dass alles, was wir tun, zum Vorteil der Bar ist. Ich glaube, dass es ihnen auch besonders viel Freude macht, zu sehen, wie viel harte Arbeit ich in etwas stecke, das sie aufgebaut haben. Das Familienprojekt entwickelt sich immer weiter, die Familiendynamik erlischt nicht.“
Auch Anja wird zwar einige Veränderungen am Weingut Schäfer vornehmen, dennoch ist sie sich einer Sache bewusst: „Unser Weingut war schon immer in Familienbesitz. Und unsere Kundschaft sieht gern die Familie hinter dem Unternehmen … Das spiegeln wir auch in unserer Marke wider.“
Bei der Entscheidungsfindung arbeitet Anja mit ihren Eltern zusammen, die das Weingut 1995 von ihrem Großvater übernahmen. „Wahrscheinlich möchten sie auch weiterhin beteiligt sein und ich habe nichts dagegen. Doch die langfristigen Entscheidungen überlassen sie mir. Schließlich geht es dabei um Dinge, die in 20 Jahren relevant sein werden. Das betrifft ganz klar mich. Die Erfahrung meiner Eltern kommt mir aber sehr zugute“, fügt Anja hinzu. „Sie helfen mir, verschiedene Optionen abzuwägen. Auch nachdem ich die Zügel übernommen habe, werden sie nach dem Rechten sehen.“
Der Slogan von Weingut Schäfer lautet „Tradition trifft auf Modernes“ – und das könnte nicht passender sein. „Gemeint ist der Generationenwandel, der sogar an unseren Produktionsstätten sichtbar ist. Hier in Hochheim gibt es eine alte Produktionshalle in einem charmanten alten Gebäude mit schönem Garten. Damit ich das Unternehmen weiter ausbauen kann, haben wir eine weitere Halle gebaut, komplett aus Beton und sehr modern.“
Familiendynamik
Ruby ist dankbar, dass sie mit ihrer Familie zusammenarbeiten kann, egal wie sich die Familiendynamik verändert. Sie sagt, dass „[es] keine Herausforderung ist, wenn man sich der Generationslücke bewusst ist und richtig kommuniziert. Man muss Geduld haben und am Branding arbeiten. Dabei darf man die Vergangenheit, die Oldschool-Elemente von Talkhouse nicht außer Acht lassen. Der Fokus liegt aber darauf, wie das Produkt und das Unternehmen sich zukunftsfähig halten.“
„Meines Erachtens ist Veränderung in jedem Bereich wichtig, insbesondere im geschäftlichen. Da mein Vater schon so lange dabei ist, kennt er sich in der Branche natürlich viel besser aus als ich. Er weiß vieles und kennt viele wichtige Menschen. Doch mit dem Vormarsch von Social Media hat sich auch einiges geändert, insbesondere bei der Unternehmensführung. Deshalb kümmert er sich um Direktkunden und ich übernehme alles, was mit unserer Brand zu tun hat.”
Anja teilt Rubys Meinung, dass sich ihre Eltern über ihre Beteiligung am Familienunternehmen freuen. Sie gesteht aber auch, dass es nicht immer leicht ist. „Es treffen zwei Generationen mit unterschiedlichen Meinungen und Einstellungen aufeinander. Beide Parteien müssen an der Pflege der Beziehung arbeiten.“ Anja gesteht, dass ihre Eltern am Brand Refresh interessiert sind, „doch sie verstehen auch, dass die neue Marke mich, also die Besitzerin, widerspiegeln soll, und deshalb überlassen sie mir die meisten Entscheidungen in diesem Bereich.“
Obwohl Matugga Rum noch von der ersten Generation geführt wird, Jacine und ihrem Ehemann Paul, ist es dennoch eine Generationenangelegenheit. „Wir sind gute Partner. Wir sind Lebenspartner, die gemeinsame Kinder erziehen, wir sind Geschäftspartner, die ein gemeinsames Business aufbauen. Unsere Zusammenarbeit läuft richtig gut. Das war aber nicht immer so. Wir sind einfach sehr unterschiedlich. Ich bin kreativ, Paul eher der Wissenschaftler. Unsere Herangehensweisen könnten nicht verschiedener sein, doch mittlerweile ergänzen wir uns sehr gut.“ Und obwohl Jacine der kreative Kopf ist, stammt die Tagline der Marke von Paul: „African soul, Scottish craft.“
Ein neuer Look ist gefragt
Trends kommen und gehen. Wenn Familienunternehmen bereits seit Jahrzehnten ein und dasselbe Logo haben, ist die Zeit für ein Update gekommen. So ist Anja bereits dabei, das Logo des Weinguts zu überarbeiten. „Wichtig ist, dass die Optik und die Marke mit der Tradition des Weinguts übereinstimmen. Das neue Logo darf nicht wie das Logo eines Start-ups aussehen, es sollte jedoch mein Alter widerspiegeln. Weder zu modern noch zu abstrakt. Ich bin die dritte Generation, daher sollte es aber auch auf gar keinen Fall wie das Logo eines neu gegründeten Unternehmens wirken. Es ist nicht leicht, einen Mittelweg zu finden.“
Ihr Ansatz besteht darin, ein Element des alten Logos in das neue Logo zu integrieren. „Das aktuelle Logo haben meine Eltern entworfen, als sie das Unternehmen von meinem Großvater übernahmen. Es ist Zeit für ein neues Logo, das mich widerspiegelt.“
Die Bar Talkhouse hat zwar keine Markenidentität, so Ruby, dafür ist die von Talkhouse Encore umso aussagekräftiger. „Mit unserem Branding drücken wir auf moderne Weise das aus, wofür die Bar steht. The Stephen Talkhouse ist die Bar und Talkhouse Encore ist das neue Business, das auch Live-Musik bietet. Auf den Dosen steht „Established in 1970“, weil das das Eröffnungsjahr von The Talkhouse ist. Damit spielen wir auf unsere Wurzeln an.
„Unsere Markenidentität sollte außerdem einige unverkennbare Talkhouse-Details aufweisen. Vor der Bar steht eine Tafel, auf der wir handschriftlich ankündigen, welche Band an dem Abend auftritt“, erklärt Ruby. „Mit dieser Grafik und dem Gedanken dahinter wollten wir arbeiten. Auf den Dosen steht ‚Talkhouse‘ in handschriftlicher Optik und im Kreidelook. Damit möchten wir das Menschliche hinter der Marke zum Ausdruck bringen. ‚Encore‘ steht für die musikalische Seite des Business und erinnert ein bisschen an eine psychedelisch gestaltete Platte aus den 70ern. Die Verpackung enthält insgesamt wirklich viele Hinweise auf die Bar, unsere Geschichte und unser Erbe. Und auf der Steckerseite ist unsere Geschichte zum Lesen abgedruckt.“
Selbst die kleinsten Details fürs Branding von Talkhouse Encore wurden sorgfältig ausgewählt, einschließlich Schriftart. „Die Stärken variieren und die Schriftfamilie, die wir gekauft haben, ist wirklich umfangreich. Das ist ein Symbol dafür, dass bei Talkhouse alle Menschen willkommen sind. Diese Schriftart erscheint in vielen unterschiedlichen Formen und das trifft doch eigentlich auch auf uns zu. Hier sind wirklich alle willkommen.“
Bei der Auswahl der Branding-Elemente hat sie auch ihr Bruder tatkräftig unterstützt. „Wenn mir etwas gefiel, das Talkhouse nicht repräsentierte, ließ er es mich sofort wissen. Griff ich beispielsweise mal zu einer bestimmten Farbpalette, sagte er, schöne Farben, aber passt nicht zu Talkhouse. Tatsächlich ist es ein Balance-Akt. Wie können wir uns als coole Marke präsentieren und gleichzeitig unseren Wurzeln treu bleiben? Während des gesamten Prozesses haben wir darauf ganz besonders geachtet.“

Die Herkunft im Mittelpunkt
Eine authentische Markengeschichte ist ein essenzielles Marketing-Tool. Sie zeigt die menschliche Seite Ihres Unternehmens und ist ein wichtiger Baustein beim Aufbau tiefer Kundenbeziehungen. Unsere drei Unternehmerinnen können ihre jeweiligen Markengeschichten nutzen, um die Herkunft und das Erbe ihrer Firmen in Szene zu setzen.
Ruby sagt, dass die Markengeschichte von Talkhouse Encore ein Alleinstellungsmerkmal in der Branche ist. „Die Branche ist wahnsinnig gesättigt. Unsere Verbindung mit einem physischen Ort und unsere greifbare Geschichte lassen uns aus der Masse herausstechen. Wir schlagen nicht einfach nur Kapital aus einem Trend.“
Die Geschichte der Marke ist sowohl auf der Website als auch auf der Rückseite der Cocktaildosen zu finden. „Die Verbraucherinnen und Verbraucher fühlen eine Verbindung, selbst wenn sie nie bei Talkhouse waren. Das Prädikat „familiengeführt“ hat diese Wirkung. Es fühlt sich wie der lokale Treffpunkt für alle an.“
Anja wiederum sagt, dass die Menschen von der „konstant guten Qualität“ ihrer Weine angetan sind. Sie ergänzt: „Es ist meinem Vater zu verdanken, dass wir insbesondere für guten Riesling bekannt sind. Mein Beitrag ist, dass ich mir Gedanken über neue Traubensorten mache, die wir ausprobieren sollten, und darüber, wie wir unseren Weinen das besondere Etwas geben können. Einige Kundinnen und Kunden haben mir gesagt, dass sie begeistert davon sind, wie gut wir zusammenarbeiten und das Traditionelle mit dem Modernen verbinden. Dies wissen sie sehr zu schätzen.“
Für Jacine ist der einzigartige Charakter von Matugga das Alleinstellungsmerkmal. „Wir haben die Marktlücke entdeckt, das Brennen von Rum und unser kulturelles Erbe zu verbinden. Der Grund, weshalb wir diesen Schritt gewagt haben, ist, dass ich auf meinen Reisen nach Uganda und Kenia nie Rum fand. Ich fand es richtig seltsam, immerhin wächst viel Zuckerrohr in der Region und Zuckerrohr bedeutet für mich Rum. Doch in Uganda gibt es keine Rum-Kultur.“
Matugga Rum wird zwar im Vereinigten Königreich hergestellt, doch Jacine und Paul wollten eine Verbindung zu Afrika haben. „Und der kulturelle Unterschied könnte nicht größer sein, denn Schottland wiederum ist weltweit bekannt für die Spirituosenproduktion. Wir haben also das Glück, diese Qualitätsmerkmale und dieses Erbe zu unserem Vorteil nutzen zu dürfen. Hinzu kommt unsere Herkunft. Uganda und Ostafrika bieten reiche gesellschaftliche Traditionen. Man sitzt zusammen bei Essen und Trinken und genießt jeden Happen und Schluck so richtig. Hinzu kommt, dass unser Unternehmen Matugga heißt. Das ist die geografische Verbindung. Denn Matugga ist ein Ort in Uganda. Mein Mann Paul wurde in Uganda geboren. Jamaika rundet diesen Mix ab und steht für das authentische Rum-Erbe. Viele unserer Techniken basieren auf jamaikanischen Produktionsmethoden.“
Social Media ist laut Jacine nützlich, um die Geschichte von Matugga zu verbreiten. Die engsten Beziehungen zu Kunden, so Jacine, baut das Paar aber dennoch bei Events auf, z. B. bei Gruppenverkostungen oder Führungen durch die Brennerei. „Alle Besucher bekommen ein Verkostungsset und dann geht die Tour los. Paul und ich erzählen dabei die Geschichte des Unternehmens und jedes einzelnen Produkts. Das ist ein Ereignis, das allen Menschen lange in Erinnerung bleibt. Und die Reaktionen sind wirklich positiv. Ich glaube nicht, dass es eine andere Marke gibt, die Schottland und Afrika zusammenführt. Der Mix mag unerwartet scheinen, doch er hat etwas. Und das Ergebnis ist wirklich bahnbrechend, würde ich behaupten.“
Ebenso wie das Team von Matugga Rum bietet auch Anja Verkostungen auf ihrem Weingut sowie auf lokalen Märkten und Veranstaltungen an. All das sind großartige Möglichkeiten, Menschen kennenzulernen und die Markengeschichte zu erzählen.
